Wollen Sie wissen, warum die Israelis gleichgültig gegenüber dem sind, was in Gaza geschieht? Schauen Sie sich nur das israelische Fernsehen an
1. 9. 2025
Einige mögen voreingenommen sein, andere mögen unter Druck von außen stehen – aber zu viele Journalisten in Israel sagen nicht die Wahrheit über Gaza
Manchmal kommen die wichtigsten Nachrichten aus Schlagzeilen, die nie erschienen sind. So war es am vergangenen Freitag in den Abendnachrichten des israelischen Senders Channel 13. Nur wenige Stunden zuvor veröffentlicht die UN-Expertengruppe für Ernährungssicherheit die Nachricht bestätigenden Bericht, dass es in Gaza zu einer Hungersnot kam, und das in der ernstesten Kategorie. Und doch haben sie es nicht einmal erwähnt, schreibt Roy Schwartz, Chefredakteur der israelischen Tageszeitung Haaretz.
Übersetzt aus dem Tschechischen von Uwe Ladwig
Während
andere Nachrichtensendungen den Bericht erwähnten, war es klar, dass
sie, gelinde gesagt, die Schlussfolgerungen mit Vorsicht übernahmen.
Abgesehen von einigen Kommentatoren, die angaben, dass es in Gaza
tatsächlich Hunger herrsche, war der allgemeine Ton ungläubig und
mit Sarkasmus gewürzt.
Der Nachrichtensprecher von
Channel 12 bezeichnete die Schlussfolgerungen der Integrierten
Klassifikation für Ernährungssicherheit (IPC) als "umstritten",
und dass entgegen der Tatsache. dass die IPC eine weltweit anerkannte
Organisation ist, die schon seit zwei Jahrzehnten die Erheblichkeit
der Ernährungsunsicherheit und Unterernährung klassifiziert.
Ein
weiteres Beispiel erschien in einem Nachrichtenbericht des
öffentlich-rechtlichen Senders Kan. Da behauptete man, der Bericht
beruhe auf Informationen von mit der Hamas identifiziert Quellen, die
werden, und berücksichtige nicht die "wirklichen Zahlen" –
die die israelische Armee zur Verfügung stellten. Der Bericht ging
noch einen Schritt weiter und behauptete: "Die UNO wiederholt
lieber die von der Hamas initiierte Hungerkampagne und ignoriert
diejenigen, die wirklich hungern – die israelischen Geiseln in
Gaza." Man sollte sich fragen, warum es unmöglich ist, dass die
Geiseln unterernährt sind und alle um sie herum auch
hungern.
Obwohl es in diversen Sendungen einige
abweichende Stimmen gab und gibt, habe ich den Eindruck, dass die
Kommentare in diesem Krieg bemerkenswert einstimmig sind – vor
allem in Bezug auf die Armee und ihre Aktionen. Zumindest teilweise
mag dies daran bewirkt werden, dass viele Journalisten – genauso
wie die gesamte israelische Gesellschaft – den Pflichtdienst in den
israelischen Streitkräften absolviert haben. Es ist fast so, als
würden sich die Sender für eine weitere Brigade an der Front
halten.
Die Abendnachrichten sind in Israel immer noch
bedeutend und einflussreich, wobei jeder Kanal aus der Galerie der
Diskussionsteilnehmer schöpft. Unter ihnen befindet sich in der
Regel mindestens ein pensionierter General, zusammen mit
Kommentatoren, Analysten und Möchtegern-Analysten (meist Männern).
Sie diskutieren ein breites Spektrum von Themen, bis auf eines: die
Zivilbevölkerung in Gaza.
Dieser Standard scheint mehr
als nur die persönliche Meinung der Diskussionsteilnehmer
widerzuspiegeln. Erst letzten Monat sickerten Informationen über ein
aufschlussreiches Gespräch in der internen WhatsApp-Gruppe des
Kanals Channel 12 durch. Mehrere Journalisten kritisierten die
mangelnde Berichterstattung über die humanitäre Katastrophe, wurden
aber vom CEO des Nachrichtenunternehmens abgewiesen, der ihnen riet,
sich lieber die Nachrichten anzusehen, anstatt vorzuschlagen, was
darinstehen sollte.
Dies wurde offenbar zu einer
inoffiziellen Regel für israelische Journalisten des gesamten
Spektrums. "In den Nachrichten versuchen Journalisten, heiße
Themen nicht anzusprechen, und wenn sie es tun, dann auf eine Weise,
die anbiedernd und beängstigend ist", sagte ein Journalist, der
in Kan arbeitet, im vergangenen Dezember in einem Interview mit
Haaretz. "Es tut mir weh zu sehen, wie der Platz, an dem ich
arbeite, versucht, nach rechts zu steuern, während er von der
Regierung beschuldigt wird, links zu sein."
Dieser
Vorwurf ist ein weiterer Teil der Geschichte. Die israelischen Medien
stehen unter ständiger Beobachtung – und sogar unter Drohungen –
der Regierung von Benjamin Netanjahu, die nicht zustimmende Medien
als "giftige Kanäle" bezeichnet und sanktioniert oder sich
weigert, mit denen zu kommunizieren, die versuchen, unabhängig zu
berichten. In einem solchen Umfeld ist keine Überraschung, dass kaum
jemand bereit ist, die Wahrheit zu präsentieren, die nicht nur für
die Regierung, sondern auch für das Publikum
Außerdem
sind israelische Journalisten nicht nur Teil einer gemeinsamen
Anstrengung im Krieg, sondern auch anderen Belastungen ausgesetzt.
Die erste ist die Angst. Journalisten in Israel befürchten, dass sie
gefeuert werden, wenn sie die "falsche Meinung" äußern
oder zu kontrovers auftreten – zumindest aus den Sendungen in der
Primetime. Es kann zu mehreren Fällen, in denen Journalisten
aufgefordert wurden, ihre Ansichten zu klären oder sich für sie zu
entschuldigen. Ein bemerkenswertes Beispiel ereignete sich, als ein
Redakteur ausländischer Nachrichten von Channel 12 forderte, am 100.
Tag des Krieges die Kämpfe in Gaza zu beenden. Er behauptet, dass er
nach seiner Aussage ein Jahr lang nicht zu den Freitagsnachrichten
eingeladen wurde.
Auch wenn in den letzten Wochen Risse in
Israels Mauer der Verleugnung aufgetauchten, sind Hinweise auf das
Leiden der unbewaffneten Palästinenser im israelischen Fernsehen
immer noch relativ selten. Wenn jemand es wagt, dieses Thema
anzusprechen, hat das Konsequenzen. In einer Abendsendung auf Channel
13 im vergangenen Monat versuchte die Gastmoderatorin, die
Journalistin Emmanuelle Elbaz-Phelps, die Aufmerksamkeit auf die
Geschehnisse in Gaza zu lenken. Der Moderator unterbrach sie jedoch
schnell und forderte sie auf, das Thema nicht zu eröffnen. "Warum
sollte uns das Interessieren?", sagte er. Moderator war Eyal
Berkovic, ein ehemaliger Fußballspieler von Klubs wie West Ham,
Manchester City und Celtic. In den letzten Jahren ist er zu einer
prominenten Stimme im israelischen Fernsehen geworden – bekannt
dafür, dass er kein Geschwafel erträgt. Wenn es nicht seine eigenen
sind.
Auf dem Papier könnte man eine gewisse Sympathie
für israelische Journalisten haben, die unter dem Druck der
Öffentlichkeit, der Regierung und vielleicht auch ihrer Chefs
stehen. Dies kann jedoch nicht entschuldigen, dass die israelischen
Presse mit ihrer Berichterstattung zur absichtlichen Ignoranz
bezüglich der Katastrophe in Gaza und der unangenehmen Tatsache
beigetragen hat, dass Zweifel an der israelischen Version der
Ereignisse aufkommen.
Mit anderen Worten, wenn man verstehen will, warum viele Israelis den Palästinensern gegenüber gleichgültig erscheinen, braucht man nur den Fernseher einzuschalten.
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